
13 Jul 10. Die vier Triebe – etwas ausführlicher
Kleine Wiederholung: Die Schicksalspsychologie kennt vier Triebe, nämlich die drei Vitaltriebe und den ICH-Trieb. Die drei Vitaltriebe sind der Sexual- oder Lebenstrieb S, der Persönlichkeitstrieb P, (bei Szondi: Überraschungs- oder Paroxysmaltrieb genannt) und der Kontakt- und Kommunikationstrieb C.
In Text Nr. 8 haben wir über den Trieb schon einiges gesagt. Hier noch weitere Details zum Wesen des Triebes.
Die Triebe benützen alles am und im Menschen um zu tun, was sie tun müssen. Dafür brauchen sie den Leib, die Körperfunktionen, die Körperteile, das Gehirn und schliesslich alle inneren Prozesse und Kreisläufe. Sie benützen den Körper, um ihre Triebpflichten zu erfüllen. Allerdings kommen sich die Triebe dabei in die Quere. So stösst die Aggressivität des Sexualtriebes (Freud, Sigmund (1923): Das Ich und das Es, S. 283) auf die moralischen Grenzwächter des Persönlichkeitstriebs die uns über unangenehme Folgen unbedachter Lustbefriedigung orientieren und das nachfolgend schlechte Gewissen mobilisieren. Der Kontakttrieb meldet gegenüber Aggressivität Bedenken an und löst eine depressive Stimmung aus; der ICH-Trieb findet Sex in einer bestimmten Situation viel zu riskant, störungsanfällig und daher nicht angebracht. Der ICH-Trieb versucht dann, sich innert Millisekunden bremsend einzuschalten indem er beispielsweise den Körper mittels verschiedener Symptome wie blitzartige Kopfschmerzen, Schweissausbrüche, kalte Hände und Füsse, Bauchschmerzen und bei Männern mit ausbleibender Erektion reagieren lässt.
Konkret heisst dies: Sex zur falschen Zeit unter ungünstigen Bedingungen findet Triebwiderspruch. All dies muss dem Sexualtrieb im Verlaufe des Erwachsenwerdens klar werden. Primitive Seximpulse müssen sich verfeinern, ein sympathisches Vorgehen entwickeln und sich anständig «kleiden» und üblichen Verhaltensweisen der Gruppe oder der Gesellschaft anpassen. Das bedeutet, dass der Sexualtrieb lernt, bei der Befriedigung seiner Bedürfnisse die Neigung der anderen Triebe für seine Vorhaben zu gewinnen und sich in die Wünsche und Neigungen des Sexualpartners einzufühlen. Für Manche viel verlangt, aber trotzdem notwendig.
Triebe gehen ständig «Bündnisse» ein, schliessen sich zu Aktionen zusammen, legen sich auch gegenseitig lahm. Dies alles, um die Fortpflanzungsfähigkeit zu sichern. Die Triebe ziehen alle in die gleiche Richtung aber nicht am selben Strick. Das ist für uns anstrengend aber unersetzlich zur Selbsterhaltung. Daher sollte unser Ich immer mit den Trieben im Gespräch bleiben.
Über die Organisation von Trieben
Triebe bestehen energetisch gesehen aus polar angelegten Feldern. Von der Funktion her sind Triebe programmierte, komplex strukturierte Informationsfelder. Sie umfassen Auftragsbeschreibung, Energieproduktion und -steuerung, Anleitung zur Durchführung der Aufgaben des Triebs, Organisationssoftware, Kommunikationsverfahren und Strukturplan der Triebe. Die Struktur der Triebe besteht aus den Felduntergruppen der Bedürfnisse.
Im Informationsfeld sind auch die Möglichkeiten definiert, wie der Trieb mit dem Ich und mit anderen Trieben umgehen soll: zusammenarbeiten oder abwehren, den Weisungen des Ichs folgen oder ignorieren und sich widersetzen, mit anderen Trieben «Arbeitsgruppen» gegen die Ansprüche des Ichs bilden.
Das Informationsfeld eines Triebes ist sein Betriebssystem wie beispielsweise Windows für Computer. Die Arbeit des Informationsfeldes wird durch die Aufgabe des Triebes bestimmt. Im Lebenstrieb umfasst es all das, was zur Fortpflanzung des Menschen notwendig ist: Wille zum Leben, Liebe, Sex, Familie, Fürsorge und die entsprechenden Kräfte – die Sigmund Freud Libido nannte – die dafür notwendig sind. Daher findet sich im Lebenstrieb auch der Impuls zur Aggressivität und Gewalt. Mehr darüber in der Lektion über den Lebenstrieb.
Im Persönlichkeitstrieb (Paroxysmaltrieb bei Szondi) sind es die Eigenschaften, welche die Gestalt, den Auftritt und die «Show» eines Menschen prägen (biogenetisch: den Phänotyp ausmachen), seine Affekte und sein psychisches Kontrollsystem bestehend aus Gewissen, Scham, Wiedergutmachung und Moral.
Im Kontakttrieb finden sich alle Verhaltensregeln und Möglichkeiten, die das Verhältnis des Einzelnen zu nahestehenden Menschen erfassen und daraus das konkrete Verhalten des Individuums bestimmen.
Das Informationsfeld des Ichtriebs hat besondere Qualitäten: es ist mit den Feldern der anderen Triebe verknüpft, es organisiert die Selbsterhaltung des Ichs, formuliert den Selbstwert und hält den Kontakt zur Cloud und zum ganzen Bereich des Unbewussten aufrecht.
Mehr zum Unbewussten und zu den einzelnen Trieben in besonderen Lektionen.

(Bild: Figur aus dem Museum Fondation Beyeler, Basel)